Weist der Vermieter bei einem nach Verfahrenseröffnung beendeten Mietverhältnis die Rücknahme der Mietsache wegen eines ungeräumten oder vertragswidrigen Zustands zurück, besteht kein Entschädigungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter wegen Vorenthaltung der Mietsache, wenn dieser nach Verfahrenseröffnung keine Veränderungen an der Mietsache vorgenommen hat.
Der Anspruch auf Nutzungsentgelt findet in diesem Fall keine Grundlage in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB. Der Insolvenzverwalter hat der Vermieterin die Mietsache nicht durch aktives Tun vorenthalten.
Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung kann nur unter engen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB als Masseverbindlichkeit beansprucht werden. Dabei kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob der Verwalter die Mietsache tatsächlich umfassend nutzt. Ausreichend ist vielmehr, dass der Verwalter die Mietsache nach der Eröffnung des Verfahrens für die Masse in Anspruch nimmt. Ergreift der Verwalter für die Masse Besitz an der Mietsache und schließt er zugleich den Vermieter gegen dessen Willen gezielt aus, begründet er eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB.
Eine solche Gestaltung scheidet im Streitfall aus. Ein gezielter Ausschluss des Vermieters durch den Verwalter wurde angenommen, wenn dieser allein über die Schlüssel der Mietsache verfügt und dort Sachen einlagert oder nach Beendigung des Hauptmietvertrages als Zwischenvermieter Untermietverträge fortsetzt und Mietzahlungen zugunsten der Masse einzieht. Vorliegend hat der Beklagte die Mietsache nach Verfahrenseröffnung weder für die Masse in Anspruch genommen noch die Klägerin gegen ihren Willen gezielt von dem Besitz ausgeschlossen. Die Klägerin verfügte unstreitig über die Schlüssel der Mietsache, so dass sie nicht an deren Nutzung gehindert war. Auch hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung nicht auf die Mietsache zugegriffen, sondern es bei dem bei Verfahrenseröffnung gegebenen Zustand belassen. Da die in den Mieträumen befindlichen Restwaren unverkäuflich waren, scheidet auch eine Lagerung im Interesse der Masse aus.
Der Anspruch folgt ebenso wenig aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 546a Abs. 1 BGB. Dem Insolvenzverwalter kann nicht wegen einer verspäteten Räumung eine Vorenthaltung der Mietsache angelastet werden.
Masseschulden im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind die Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muss. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Mietansprüche unter diese Vorschrift fallen. Entsprechendes gilt für den Entschädigungsanspruch aus § 546a Abs. 1 BGB. Zwar beruht er nicht auf einem Vertrag, weil er gerade die Beendigung des Mietverhältnisses voraussetzt. Er ist jedoch vertragsähnlicher Natur, tritt an die Stelle des ursprünglichen Mietanspruchs und ist deshalb wie dieser als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO einzuordnen. Ein Entschädigungsanspruch des Vermieters aus § 546a BGB wegen Vorenthaltens der Mietsache kann folglich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO begründen, wenn das Mietverhältnis, auf dem er beruht, die Insolvenzeröffnung – wie im Streitfall – überdauert hat.
Eine Vorenthaltung der Mietsache setzt nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter die Sache für die Masse nutzt oder daran Besitz ausübt. Vorenthalten wird die Mietsache bereits dann im Sinne von § 546a BGB, wenn der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht. Verweigert der Vermieter allerdings die Rücknahme unter Hinweis auf den ungeräumten oder nicht vertragsgemäßen Zustand, fehlt dem Vermieter der für die Vorenthaltung erforderliche Rücknahmewille, wenn der Verwalter nicht zu einer Räumung verpflichtet war. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
Die Kosten zur Herstellung des ordnungsmäßigen Zustands eines an den Schuldner vermieteten Grundstücks begründen jedenfalls dann keine Masseschuld, wenn der Mietvertrag vor der Insolvenzeröffnung beendet war. Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter das Nutzungsverhältnis fortsetzt, ist die vertragliche Herstellungspflicht bei Vertragsende aufzuteilen; insolvenzrechtlich bevorzugt ist nur die Wiederherstellung derjenigen nachteiligen Veränderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sind.
Im Streitfall hat der Beklagte den Mietvertrag zunächst nach Verfahrenseröffnung fortgesetzt. Allerdings war die Produktion der Schuldnerin in den Mieträumen unstreitig bereits vor Verfahrenseröffnung zum Erliegen gekommen. Dementsprechend hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung keine nachteiligen Veränderungen an der Mietsache vorgenommen, die gegen ihn eine Herstellungspflicht begründen. Darum durfte die Klägerin die Rücknahme nicht unter Hinweis auf Räumungspflichten des Beklagten verweigern. Durch die Rückgabe der ungeräumten Mietsache erfüllte der Beklagte darum nicht den Tatbestand des § 546a BGB.
Schließlich kann der Anspruch nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse (§ 812 BGB) gestützt werden. Die Vorschrift verlangt, dass der Masse eine Bereicherung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist. Nutzt ein Mieter oder ein auf Grund eines sonstigen Vertragsverhältnisses Nutzungsberechtigter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus, so ist er ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Vermieters oder sonstigen Rechtsinhabers um den tatsächlich gezogenen Nutzungswert bereichert und nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1 BGB zu dessen Herausgabe verpflichtet. Im Streitfall scheidet eine Bereicherung der Masse aus, weil der Insolvenzverwalter den Mietgegenstand nach Verfahrenseröffnung nicht für die Masse genutzt hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Januar 2015 – IX ZR 279/13